„Wenn Engel sprühen, dann weint der Himmel nicht“
Anfang des Jahres hatten wir wieder Ehrenamtliche aufgerufen, sich im Rahmen unserer Aktion 5 für 500 mit ihrem Herzensprojekt um finanzielle Unterstützung zu bewerben. Derzeit werden die Projekte umgesetzt, die wir nach und nach vorstellen.
No1: – Graffiti-Workshop „Beyond Borders“ Im Naturbad Autenhausen
Gastbeitrag von Bettina Knauth:
Beim Graffiti-Workshop „Beyond Borders” überwanden Schüler der Mittelschule am Autenhausener Naturbad auch die eigenen Hemmungen, mit der Dose die Entwürfe umzusetzen.
Grenzerfahrungen der besonderen Art machten Schüler und Schülerinnen der Grund- und Mittelschule Seßlach kurz vor Schuljahresschluss im Naturbad Autilus in Autenhausen: Beim Workshop „SPRAY AUT 2024 – Beyond Borders“ gestalteten sie mit Graffiti-Technik einen Verkaufsstand und einen Verkaufswagen auf der benachbarten Freizeitanlage ebenso wie eine neun Meter lange Wand. Die Entwürfe wurden in ihren Klassen zuvor im Kunstunterricht erarbeitet.
„Die Jungen und Mädchen sollten in dem Projekt lernen, Grenzen zu erkennen und zu überwinden“, erläutert Initiator und Organisator Josef Starkl. Und zwar „in künstlerischer Hinsicht, aber auch im historisch-politischen Sinn“, fügt der Vorsitzende des Autilus-Fördervereins hinzu. Die Anlage befindet sich nur einen halben Kilometer entfernt von der früheren deutsch-deutschen Grenze. Der Erlebach, der Zeltplatz vom Freibad trennt, entspringt in Thüringen. Am 2. Dezember 2024 jährt sich Grenzöffnung zwischen Autenhausen und Lindenau in der damaligen DDR zum 35. Mal. Neben dem Thema „Grenzen überwinden“, passend zu diesem historischen Anlass, boten sich in dieser idyllischen Umgebung auch die Themen „Wasser“ und „Natur“ an.
25 Schüler erarbeiteten jahrgangsübergreifend zunächst im Kunstunterricht Ideen und setzten diese dann auf der Anlage um. Unterstützt wurden sie dabei neben zwei Lehrkräften von Manuela Schüller. Die Graffiti-Expertin aus Rieth (Stadt Heldburg) lobte bei der Präsentation der Arbeiten am Donnerstag das entspannte Arbeiten und die gute Zusammenarbeit ebenso wie die Qualität der entstandenen Werke. „Für mich war das alles kleine Künstlerinnen und Künstler“, so ihr Urteil. Die Entwürfe seien eins zu eins umgesetzt worden. Als betreuende Lehrkraft gab Sandra Aladi das Lob an Schüller zurück: „Manu hat allen mit viel Geduld und Enthusiasmus gezeigt, wie sie die Entwürfe verwirklichen können.“ Die Kunstlehrerin berichtete, dass sie selbst gleich „Feuer und Flamme“ gewesen sei, als Starkl mit der Idee zu dem Workshop auf sie zukam. Auch die Schüler aus den Jahrgängen 5, 7, 8 und 9 hätten buchstäblich „vor Kreativität gesprüht“. Aus allen Entwürfen, die sie erarbeitet hatten, wählte schließlich eine Jury die Ideen aus, die in der Folge umgesetzt wurden.
Zuvor hatte ein Impulsvortrag die Schüler fachlich in das Thema Graffiti eingeführt. Die Grundlagen der Darstellungstechnik wurden dabei ebenso erörtert wie der verantwortungsvolle Umgang mit ihr. „Seit ich vor 30 Jahren in der Lehrlingswerkstatt meine erste Wand gestalten durfte, ließ mich das Sprayen nicht mehr los“, schilderte die gelernte Glas- und Keramikmalerin Schüller. Vor 17 Jahren machte sie sich mit „Kunst & Design“ selbstständig und machte ihr Hobby „mit Herzblut“ zum Beruf. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Innenwand- und Fassadengestaltung. Nun lernten die Schüler die Graffiti-Grundtechniken. Gleichzeitig setzten sie sich künstlerisch mit der Bedeutung und Darstellung von Freiheit, Frieden oder Wasser, Pflanzen und Tieren auseinander.
Starkl betonte bei der Präsentation vor den Schülern und ihren Eltern, wie gut die Ergebnisse zu der Aufgabenstellung passen: Clarissa Rosenbauer und Miriam Hoek dachten sich zum Thema „Freiheit“ Vögel aus, die aus einem Käfig ausbrechen. Für den Innenarchitekten eine „zu Herzen gehende Arbeit ohne erhobenen Zeigefinger“. Finja-Runa Schott hatte die Idee zu einer Wasserrutsche mit „Water Fun“. Auch kreierte sie in ihrer ganz eigenen Schrift den Schriftzug „Autilus“, dem Heiner Kilian dann eine Wellenlandschaft hinzufügte. So verschmolzen einige Einzelentwürfe letztendlich zu Collagen. Einige Motive erinnern an Comics, wie etwa die Entenkönigin von Lara Schmidt und Klara-Marie Knoch oder der Mann im Einhorn-Schwimmring, den Lara mit Marie Angermüller erschaffen hat. Von Milo Pekusa stammt ein gut gelaunter Frosch. Andere setzen – wie Samira Hoeck und Lana Riesel – das Motto „Beyond Borders“ buchstäblich um.
Anfangs hätten die Teilnehmenden gezögert, mit den Dosen auf den Flächen loszusprühen, berichtete der Initiator. Nicht aber Lisa Voss. „Sie war die erste, die sich traute“, hob Starkl hervor. Seine Tochter Theresa, die beim Projekt assistierte, beobachtete, wie alle zunehmend Selbstvertrauen entwickelten. „Sie sahen ja, dass es tatsächlich funktioniert“, schildert die Kunststudentin. Janik Seifert hat das Projekt so begeistert, dass er sich vorstellen könnte, „so etwas mal beruflich zu machen“. Der 16-Jährige Witzmannsberger interessiert sich auch für die Geschichte, „für das was damals hier in Autenhausen los war“.
Während Verkaufswagen und -bude dauerhaft auf dem Zeltplatz stehen bleiben, wird die Wand nach dem Ende der Bade- und Zeltsaison wieder abgebaut. Louise Krügers „Wasser“-Schriftzug bekommt einen besonderen Platz: „Er wird auf einer – noch zu bauenden – Wand gegenüber dem Eingang zum Naturbad montiert“, kündigte Starkl an. Bleiben wird auch eine Projektbeschreibung, die Besuchern Sinn und alle Beteiligte der Aktion erläutert. Dank der finanziellen Unterstützung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“ und der „5 für 500“-Aktion der Initiative Rodachtal war die Teilnahme für alle kostenfrei.
Bürgermeister Maximilian Neeb (FW) freute sich über das Projekt „mit Hintergrund“: „Wir können mit jüngeren Menschen nicht oft genug für die frühere Grenze sprechen.“ Den jungen Sprayern machte das Stadtoberhaupt noch ein Angebot: „Ihr habt Ideen für weitere Flecken im Stadtgebiet, die verschönert werden könnten? Dann kommt zu mir!“ Verhindern möchte Neeb so, dass die Heranwachsenden „wild in der Gegend herumsprühen.“ Starkl forderte die Teilnehmenden auf, den Rathauschef beim Wort zu nehmen. Zum Schluss richtete der Organisator ein großes Dankeschön an den „heiligen Petrus“, wegen der widrigen Wetterbedingungen habe das Projekt auf wackeligen Füßen gestanden. Vom „Woodstock-Feeling“ angesichts der Matschfüße hatte zuvor schon Schüller gesprochen. Am Ende hat sich für Starkl aber gezeigt: „Wenn Engel sprühen, dann weint der Himmel nicht.“
Fotos: Bettina Knauth
Hier der Link zur Projektbeschreibung.
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